Gendern provoziert immer öfters ...
... und ist 'per se' nicht immer bei allen erfolgreich
„das kann ich ihnen leider nicht machen, das Zapfhuhn ist kaputt!“
Diesen Witz oben erzählt der Kabarettist Konrad Beikircher am ende seiner einstündigen Juni-Radiosendung 'Pasticcio musicale'. Er schliesst sie einerseits mit diesem Witz ab und andererseits schiebt er nachfolgende Worte nach, die im mitgelieferten Manuskript noch komischer wirken, und das Dilemma humoristische behandeln, indem alle stecken, die Sprache für ihre Ziele anwenden müssen.
Das nur zum HERRlich DÄMlichen Genderdeutsch. Naja, die Bilderstürmer sterben nicht
aus, oder?
Meint jedenfalls Ihr aufrichtig feministischer, aber auf Inhalt und nicht auf Form bezogener,
Konrad Beikircher
Gemäss eines forcierten Sprachwandels benutzen verschiedene Interessengruppen immer häufiger 'Framming'; auch der Feministisch Sprachgebrauch hofft dadurch in den Duden/in die Köpfe von Sprachnutzer schneller Eingang zu finden. Aber offensichtlich hat Framing nur eine begrenzte Wirkung.
Klar wird das im Beispielreichen Radiovortrag: 'Framing – So verändert Sprache unser Denken'. Hans W. Giessen äusserte sich innerhalb weniger Monate wiederholt dazu. Er ist Informationswissenschaftler in Saarbrücken und ausserdem Professor dort, in Helsinki und an der Jan-Kochanowski-Universität im polnischen Kielce.
Seit den 2020er Jahre sind Bekenntnisse gehäuft wahrnehmbar: Institutionen entschliessen sich immer mehr, für ihre Kommunikation das Gendern offiziell einzuführen. Ob es Regierungen wie in Berlin oder Zürich sind, die ihrer Verwaltung derart produzierte Texte gesetzlich vorschreiben. Zürcher oder Basler Schulverwaltungen sollen in Schulen gendern. Überregionale Tageszeitungen (wie der Zürcher Tagesanzeiger) oder Quertierzeitungen einer Stadt machen mit (wie ein Basler oder eine Dorfzeitung aus Birsfelden) verhalten sich oder stellen sich Fragen dazu. Auch Radio- und TV-Stationen sind dabei, vor allem Kulturjournale oder Nachrichtensendungen...
Am 14. Juli 2022 wurde am Vorabend ein kurzer Kommentar unter dem Titel gesendet 'Wo darf noch diskutiert werden, wenn nicht an der Uni?'. Eine vorgesehene Referentin des Faches Biologie wurde nach Studentenproteste und aus Sicherheitsgründen von der Universität Berlin vorauseilend wieder ausgeladen. Der Referentin haftet der Ruf an, dass sie überall konsequent auf Gendrer-Aspekte in ihren Vorträgen hinweist.
Deutsch sei keine logische und konsequente Sprache. Deshalb solle die Mikropause (welche für das gesprochene Gender-Sternchen stehe) jenes ausdrücken, was mit einer vermiedenen Form gemeint sei. Das Sternchen stehe für nicht explizit angesprochene Personengruppen wie etwa Quere Menschen. Es werde also "treuhänderisch" so mit gesprochenen Texten aktiv gehandelt, was passiv Redakteure in Zeitungen und Funk oder Theaterdramaturgen etwa schon lange täten. Diese Argumentation beruft sich auf eine bereits bestehende Vereinbarung, die allerdings eine bestehende Form nicht als eine geschlechtliche sondern als generelle Form auffasst; alleine der Kontext würde die gebrauchte Form geschlechtlich eingrenzen. In privilegierten Kreisen sei Gendern heute nicht nur üblich, sondern Ausweis seiner Zugehörigkeit zu einem sozialen Kreis.
Historische Texte für Adressatenkreise einzuschränken/zu erweitern ist etwa die Aufgabe von Textbearbeiter. Sie sollen, mit Streichungen und Anpassungen darin „treuhänderisch“ so umzugehen und sie "übersetzend" so zu neuen Texten formen, dass sie mit den ursprünglichen Überlängen oder historischen Formulierungen inhaltlich dem ursprünglichen Autorenwillen für heutige Textrezipienten noch immer verständlich bleiben. Etwa sollte generell Goethes 'Faust' danach von allen als bearbeiteter Text von Goethe wiedererkannt werden.
Bearbeiten zum kurzfristigen Ziel für einen zu kommunizierenden Text ist ähnlich motiviert: Argumentationen seines Autors sollte darin dominieren und nicht Fertigkeiten einer anderen Person, die zuvor das Manuskript redigiert hat. Mein Arbeitsziel an Ihrem Manuskript ist daher, Ihnen dafür eine, für Ihre Ziele fokussierte Version vorzuschlagen, sodass Sie nicht nur Autor bleiben, sondern auch Ihre Absicht damit noch besser erzielen können.
tagi
birsfelden
Kürzlich wurde Juli Zeh interviewt. Als weibliche Autorin dürfe sie gewiss bewusst und immer genderen. Tue sie dass denn auch in ihren literarischen Texten, da sie ja vor Kamera und Mikrophon darauf verzichte, obwohl dies seit kurzem von vielen Sprechenden zu beobachten sei? Sie antwortete mit einem knappen Nein, und begründete ihren Entschluss mit der Verkomplizieren der Sprache dadurch, der auch künstlerischen Einfluss hätte. Das Gemeinte ergebe sich unkompliziert aus dem Kontext. Auch würde das grundsätzliche Problem nicht durch eine grammatikalische Form auflösen lassen, sondern nur durch eine generelle Haltung.
Ähnliches erkennt Sahara Wagenknecht bei einem Interview zu ihrem neuen Buch: Die Selbstgerechten - Mein Gegenprogramm - für Gemeinsinn und Zusammenhalt, Campus Verlag, Frankfurt/M. 2021.
Der viel beachtete Zeitungsartartikel spielte die Schwierigkeit mit nicht nur einer gebeugten Form durch: VON INNEN, UNNEN UND ONNEN -Wird die Welt gerechter, wenn man die Sprache umbaut? Die Grüne Annalena Baerbock will sogar Gesetzestexte gendern; Auf diese Weise wird das Deutsche immer "länger"; Unser Autor ZÈ DO ROCK hat einen Gegenvorschlag; in: Die Zeit, Nr. 32 vom 3. August 2021, S. 49.
In verschiedenen, kürzlich ausgestrahlten Radiosendungen setzen sich verschiedene Autoren kritisch mit aktivem oder passivem Gendern auseinander, denn dabei gehe es ums Bewusst-machen von herrschenden Situationen.
Passives Gendern meint Bewusst-machen von Alltagssituationen. Denn dort mache es durchaus Sinn zu gendern. Es müsse nämlich mit Recht zwischen männlichen und weiblichen Benutzer unterscheiden werden. Gerade in Design oder Medizin mache dies Sinn. Mit den aktuellen Covid-Erfahrungen ist letzteres wieder mindestens bewusst geworden. Frauen bilden nicht nur andere Symptome bei Herzinfarkt aus als Männer, reagieren auf Medikamente anders oder sind für Autoimmunreaktionen empfänglicher als Männer, wie bei 'Long-Covid' zu beobachten sei. Es gibt einen Lehrstuhl an der Medizinischen Fakultät der FU Berlin, der einzige Lehrstuhl in Deutschland; in der Schweiz finden bestenfalls nicht verpflichtende Lehrveranstaltungen für angehende Ärzte statt. Die Wirtschaft habe schon längst beide Gruppen für ihre Interessen entdeckt. Es wurde ein gleiches Produkt etwa in eine sensiblere Flasche gefüllt oder diese farblich anders gestaltet, weil die Ökonomie erkannte, dass Frauen für Beinrasierer "gerne" einen höhere Preise bezahlen als für Rasierklingen für den Mann. Ein anderes Beispiel sei eine blau gestaltete Handcreme für den Mann und eine rosa gestaltete gleichen Inhalts für die Frau.
Grenzen von aktivem Gendern
Thilo Baum ist Journalist, Coach und Autor. Er sieht Grenzen von extremen Gendern im Sprachraum, der auch kulturell bestimmt sein könne.
Der Anglist Werner Schäfer, macht sich über Widersprüche, Lücken und Grenzen der Gendersprache allgemein Gedanken. Er vergleicht darin gegendertes Deutsch nicht nur in grammatischen Formen, sondern solches Deutsch auch mit anderen Sprachen. Kann es immer Sinnvoll sein oder erschwere es nicht nur einen auszudrückenden Gedankengang eines Autors und das Erlernen von Deutsch etwa für Sprachprüfungen am Abitur/an der Matura für Sprachangehörige oder durch Flüchtlinge, die Deutsch in kürzester Zeit zu erlernen haben.
Unter dem Titel: 'Was bringt das Gendern wem?' diskutieren 30 Minuten lang ende September 2022 die Kulturwissenschaftlerin Christa Binswanger, die den Bereich «Gender and Diversity» an der Universität St. Gallen leitet, und die Juristin Katharina Fontana, Inlandredaktorin der «Neuen Zürcher Zeitung». Raphael Zehnder erreicht es, dass Christa Binswanger indirekt die Gendergrenzen in der Sprache und damit, die Position von Katharina Fontana akzeptieren muss.
Konklusion
Extremes Gendern scheint also gerade die Reformbestrebungen der geforderten Sprachvereinfachung zu beeinflussen. Der Duden solle aber nicht nur den aktuellen Sprachgebrauch abbilden, sondern auch für alle als verbildliche Quelle benutzt werden. Und gerade logisch für Lernende und Lehrende sein.
https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/100-jahre-paul-watzlawick-der-mann-fuer-eine-geglueckte-kommunikation
'It’s a Man’s World: Der Gendergap im Design und in der Medizin', Sendung von Autor:in: Noëmi Gradwohl und Irène Dietschi, Moderation: Monika Schärer
https://www.srf.ch/audio/kontext/it-s-a-man-s-world-der-gendergap-im-design-und-in-der-medizin?id=12001742
Radiovortrag von Thilo Baum, 'wann und wie ist gendern sinnvoll?'
https://www.swr.de/swr2/wissen/wann-und-wie-ist-gendern-sinnvoll-swr2-wissen-aula-2021-06-20-100.html
https://www.swr.de/swr2/wissen/paul-watzlawick-warum-wir-nicht-nicht-kommunizieren-koennen-swr2-wissen-2021-07-23-100.html
Radiovortrag von Werner Schäfer, 'jenseits der ideologie gendern sprachwissenschaftlich betrachtet.'
https://www.swr.de/swr2/wissen/jenseits-der-ideologie-gendern-sprachwissenschaftlich-betrachtet-swr2-wissen-aula-2022-01-23-100.html
Radiokommentar vom 14. Juli 2022 von Anja Braun, 'jWo darf noch diskutiert werden, wenn nicht an der Uni?.' in der SWR-Sendung 'Impuls' von 16:05 Uhr
https://www.ardaudiothek.de/episode/swr2-impuls/kommentar-wo-darf-noch-diskutiert-werden-wenn-nicht-an-der-uni/swr2/10654117/
Christiane Leupold-Gross: Singen berûhrt tief und gibt Energie, S.4ff., in 'Die Synapse - Das offzielle Kommunikationsorgan der Ärztegesellschaft Baselland und der Medizinischen Gesellschaft Basel, Jg. 21, Nr 3/2021 'Kultur trifft Medizin'.
Keller, Rudi: Sprachwandel - Von der unsichtbaren Hand in der Sprache, Tübingen 1990.
Quartir Kurier - St. Alban, Gellert, Breite, Lehenmatt, 24 Jg., 2/2021 April - Juni, S. 7f. und S. 21.
'Zürcher Tagesanzeiger', 129 Jg,, Nr. 140 vom21. Juni 2021, S.1, 2 und 13.
Die Zeit, Nr. 32 vom 4. August 2022, S. 10, auf den Seiten 'Streit'; Ist der ARD-Nachwuchs wirklich so links? - Wenn über mangelnde Meinungsvielfalt bei den Öffentlich-Rechtlichen diskutiert wird, richten sich die Vorwürfe rasch gegen deren Volontäre: Diese seien überwiegend "links-grün" eingestellt. Hier streiten zwei Volontärinnen, ob das stimmt.
Kulturtalk auf DRS 2, 23.9.2022: 9H – 9:30, 'Was bringt das Gendern wem?', Diskusion von Raphael Zehnder mit der Kulturwissenschaftlerin Christa Binswanger, die den Bereich «Gender and Diversity» an der Universität St. Gallen leitet, und der Juristin Katharina Fontana, Inlandredaktorin der «Neuen Zürcher Zeitung».
https://www.srf.ch/audio/kultur-talk/was-bringt-das-gendern-wem?id=12254023
Radiovortrag von Hans W. Giessen, in Südwest Deutscher Rundfunk SWR 2 'Aula' vom 3.10.2022, 8:30 – 9H, 'Framing – So verändert Sprache unser Denken'
https://www.swr.de/swr2/wissen/wann-und-wie-ist-gendern-sinnvoll-swr2-wissen-aula-2021-06-20-100.html
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